Mit Urban Mining wertvolle Rohstoffe ausSmartphones wiedergewinnen

2022-06-25 01:45:02 By : Ms. Linda Lee

Millionen alter Smartphones verstauben in der Schublade. Dabei steckt Elektroschrott voller wertvoller Materialien wie Gold, Platin und Seltene Erden, die extrahiert werden können.

Werfen wir ein Handy weg, verursachen wir zwischen 80 und 140 Gramm Elektroschrott. Doch um ein neues Handy zu produzieren, werden etwa 75 Kilogramm an Ressourcen benötigt. Das ist fast das 1000-fache des Produktgewichts. Die Umweltbelastungen des Wegwerfens nehmen wir damit gar nicht wahr. Dabei werden jetzt schon Rohstoffe knapp.

Um Metalle möglichst vollständig recyceln zu können, muss man wissen, in welchen Geräten sie stecken. Diese Informationen sind in einer Kreislaufwirtschaft sehr wertvoll. Seit 2018 gibt es nun eine neue Datenbank namens Urban Mine Plattform, die im Rahmen eines EU-Förderprogramm entwickelt wurde. Experten können hier sehen, wo und wie Wertstoffe aus Altfahrzeugen, Batterien, Computern und anderen Elektrogeräten über ihren gesamten Lebenszyklus verloren gehen und wieder zurückgewonnen werden können.

Für die Produktion von Handys und Smartphones beispielsweise werden bis zu 60 unterschiedliche Rohstoffe und Materialien verwendet: Gold für die Kontaktstellen, Zinn für Lötstellen oder Lithium für die Batterie. Im Elektroschrott finden sich außerdem Kupfer, Silber, Platin, Palladium, Rhodium, Zink, Aluminium und Eisen, sowie 17 Seltene-Erden-Metalle.

Schon heute können laut einer Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaft und Rohstoffe bis zu 98 Prozent der fünf Metalle Gold, Kupfer, Silber, Palladium und Platin mit gewöhnlichen Recycling-Verfahren zurückgewonnen werden. In etwas aufwändigeren Verfahren lassen sich auch Blei, Indium oder Nickel extrahieren. Insgesamt lassen sich bis zu 85 Prozent der Metalle, die in einem Smartphone verbaut sind, extrahieren.

Für Privatpersonen lohnt sich das Ausschlachten des Elektroschrotts nicht: In einem Smartphone etwa sind laut dem Umweltlandesamt in NRW nur 305 Milligramm Silber, 30 Milligramm Gold und 11 Milligramm Palladium verbaut.

Anders sieht das für das professionelle Recycling aus: Allein in einer Tonne Computer-Mainboards kann so viel Gold enthalten sein wie in 45 Tonnen goldhaltigem Erz. Manche Experten glauben, dass man alle Goldminen schließen könnte, wenn man das bereits abgebaute Gold besser nutzen würde. In Smartphones sind Gold, Kupfer, Palladium und teilweise Platin in deutlich höheren Konzentrationen enthalten als in Erzen. Alle anderen Rohstoffe sind derzeit für das großtechnische Recycling von Smartphones noch nicht relevant.

Über 200 Millionen Handys liegen laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom von 2021 unbenutzt in deutschen Schubladen. Nur knapp 42 Prozent dieser Geräte werden nach Angaben des Europäischen Parlaments in der EU recycelt. Weltweit werden bisher nur 20 Prozent der elektronischen Altgeräte fachgerecht wiederverwertet. 4 Prozent landen im Restmüll. Über den Verbleib von 76 Prozent der Geräte ist nichts bekannt.

Oft landet Elektroschrott auf Deponien oder wird auf illegalem Weg in Entwicklungsländern transportiert. Britische und deutsche Reporter:innen konnten den Export alter Elektrogeräte mit Peilsendern bis nach Nigeria und Ghana verfolgen. Dort werden sie unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen mit einfachsten Mittel auseinandergenommen, oft auch von Kindern. Umso wichtiger ist es, gute Rückgabe- und Recyclingwege zu kennen.

In der Europäischen Union müssen Hersteller und Händler alte Geräte vom Markt nehmen und ihre ordnungsgemäße Entsorgung mitfinanzieren. In Deutschland registriert die Stiftung Elektro-Altgeräte Register (EAR) die Hersteller von Elektro- und Elektronikgeräten auf gesetzlicher Basis. Die Hersteller beauftragen Entsorgungsunternehmen volle Sammelcontainer bei den Kommunen abzuholen und sie in ihrem Auftrag zu verwerten. Auch die Sammelstellen können mit der Verwertung beauftragt werden. Große Händler sind ebenfalls zur Rücknahme verpflichtet. Damit soll der illegale Export bekämpft werden.

Alle größeren Kommunen unterhalten Wertstoff- bzw. Recyclinghöfe, in denen Verbraucher ihre alten Elektrogeräte samt Kabel und andere Haushaltsabfälle kostenlos abgeben können. Es gibt mittlerweile mehr als 10.000 solcher Sammelstellen. Sie prüfen die eingelieferten Geräte auf ihre Funktionsfähigkeit. Sind sie nicht mehr verwendbar, werden sie als Schrott recycelt.

Wertstoffhöfe können ihre Arbeit überprüfen lassen. Unabhängigen Stellen können bestätigen, dass sie die Entsorgung fachgerecht vornehmen und die Abfälle nicht auf umweltgefährdende Weise beseitigen. Das TÜV-Tochterunternehmen TÜV NORD CERT bietet Zertifizierungen von Entsorgungsfachbetrieben an. Werden die Unternehmen regelmäßig geprüft, können Kunden und Abnehmer davon ausgehen, dass die Entsorgung korrekt stattfindet – und dass keine Altgeräte illegal nach Afrika entsorgt werden.

Es gibt verschiedene Recycling-Prozesse. Oftmals werden die ganzen Geräte eingeschmolzen. Aus der entstandenen Schlacke werden dann die Edelmetalle wie Gold und Kupfer mit Elektrolyseverfahren extrahiert. Das Recycling der meisten Hochtechnologie-Metalle wie Indium, Tantal, Gallium, Germanium und der Seltenen Erden aus Smartphones ist noch nicht in großtechnischen Recyclinganlagen umgesetzt.

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Doch die Recycling-Unternehmen arbeiten an einer Optimierung der Prozesse. Wenn Geräte zerlegt werden, können auch einzelne Bauteile je nach Material unterschiedlich weiterbehandelt werden. Manche Unternehmen, die sich auf den gewerblichen Ankauf größerer Mengen von Elektroschrott spezialisiert haben, verlangen von den Verkäufern eine Vorsortierung der einzelnen Elemente. So werden beispielsweise keine ganzen Smartphones, sondern nur Handy- und Telefonplatinen oder nur Computer-Leiterplatten zu einem Kilopreis angekauft.

Einige Smartphone-Hersteller wie Apple betreiben eigene Recycling-Programme für zurückgegebene Altgeräte. Laut dem jüngsten Nachhaltigkeitsbericht von Apple ist ein Roboter namens Dave bereits in der Lage neben Stahl und Wolfram auch Selteneerdemagneten zu bergen. Eine neue Recycling-Maschine soll die Selteneerdemagneten aufarbeiten können. Die zurückgewonnenen Materialien führt Apple in den Herstellungsprozess zurück.

Apple kann allerdings nicht als vorbildliches Unternehmen gewertet werden, da es jahrelang Reparaturen und Recycling durch Dienstleister und Unternehmen, die keine Apple-Partner sind, erschwert hat und auch auf politischer Ebene gegen verbraucherfreundliche Regeln vorgegangen ist. Erst seit kurzem hat es dem Druck von Verbraucherschützern und Politik nachgegeben und unterstützt die Selbstreparatur.

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