Blasfolien flexibel und effizient herstellen.

2022-08-13 15:21:59 By : Mr. Simon Hsu

Bei der Produktion von Blasfolien werden große Mengen an Kühlluft benötigt. In einem aktuellen Forschungsprojekt des IKV wurde nun ein Simulationsmodell entwickelt, mit dem sich die Kühlringlippengeometrie optimieren lässt.

Bild 1: Schematische Darstellung der abgelenkten Luftströmung durch den Coanda-Effekt. (Bild: IKV)

Die Anlageneffizienz spielt in der Blasfolienextrusion eine bedeutende Rolle. Kunststoffverarbeiter streben hohe Durchsätze an, um die Kosten pro m2 Folie zu minimieren [SSW18]. Hohe Massedurchsätze werden durch einen hohen Wärmeentzug ermöglicht. Dabei wird mit der Kühlluft, die bei der Blasfolienextrusion aus den Kühlringen austritt, bis zum Erreichen der Frostlinie mehr als 50 % der Wärme entzogen [Wen11]. Die Wärmeabfuhr erfolgt konvektiv über die Luft, die von Doppellippenkühlringen geführt wird. Durch gezielte Optimierung und Weiterentwicklung der Kühlringe lässt sich die Kühlleistung steigern und somit die Wirtschaftlichkeit der Blasfolienextrusion erhöhen. Die Optimierung zielt auf eine enganliegende Kühlluftströmung an der Folienblase ab, welche jedoch durch Strömungsphänomene, wie dem Venturi- oder dem Coanda-Effekt, beeinflusst wird [SV00]. Der Coanda-Effekt beschreibt das Anhaften eines strömenden Mediums an einer Oberfläche (siehe Bild 1). Ebendieser nimmt großen Einfluss auf den konvektiven Wärmeentzug und erzeugt ein Totzonengebiet im Strömungsgebiet, welches die Kühlleistung minimiert.

Neben den numerischen Ergebnissen von Abdelmaksoud et al. [AAA10] konnte der negative Einfluss des Coanda-Effekts auf den Wärmeabtransport auch in Extrusionsversuchen am IKV nachgewiesen werden [Hau99]. Um den Coanda-Effekt zu vermeiden, muss er verstanden und vorhergesagt werden können. Zur Untersuchung der Kühlluftströmungen wurde ein Simulationsmodell am IKV entwickelt [HKF+21], welches in Versuchsreihen validiert und zur Auswahl verschiedener Kühlringgeometrien genutzt wurde. Die Herstellung verschiedener Folienprodukte benötigt unterschiedliche Blasenformen. Auf diese Variation müssen Kühlringe flexibel reagieren können, um den Coanda-Effekt zuverlässig zu unterbinden. Daher wurde in einem weiteren Schritt eine flexibel einstellbare Düsenlippe entwickelt, die ebenfalls eine Reduzierung der Rüstzeiten und weitere Massedurchsatzsteigerungen erzielen soll.

Das entwickelte Simulationsmodell ermöglicht eine Darstellung der Kühlluftströmung im Bereich der Schlauchbildungszone und wurde mit der FVM-Software Open Foam (Open Foam Foundation, London, Großbritannien) entwickelt. Die verwendeten Randbedingungen und die Vorgehensweise beim Aufbau des Simulationsmodells sowie die Durchführung der Simulationen sind in Hopmann et al. [HKF+21] detailliert beschrieben. Mithilfe des Simulationsmodells wurden verschiedene Düsenlippengeometrien, deren Kombination und Prozessparameter untersucht. Zur Veranschaulichung sind in Bild 2 die Simulationsergebnisse der effizientesten sowie ineffizientesten Konfiguration dargestellt. Im unteren Teil des Bildes ist die zugehörige Kühlringlippenkombination abgebildet. Die Darstellung der simulierten Strömungslinien lässt Unterschiede in den beiden Simulationsergebnissen erkennen, sodass auf der linken Seite (Kombination oben: 0°, unten: 0°) eine enger anliegende Strömung und somit eine besser geeignete Düsenlippengeometrie vorliegt. Auf der rechten Seite (Kombination oben: 45°, unten: 30°) zeigt sich eine von der Folienblase ablösende Kühlluftströmung im oberen Bereich.

Diese Simulationsergebnisse wurden durch praktische Extrusionsversuche an der Blasfolienanlage im Technikum des IKV verifiziert, deren genauer Aufbau in [LHF20] detailliert dargestellt wird. Die Schmelze wird von den Extrudern in einen radialen Wendelverteiler gefördert. Die Austrittsdüse besitzt einen Durchmesser von 80 mm und einen Austrittspalt von 1 mm. Für einen Vergleich der simulierten Kühlluftströmung mit der realen Strömung wurde ein Versuchsstand zur Strömungsvisualisierung genutzt. Hierfür wurde eine Z-1500 MKII Nebelmaschine der Firma Antari Fog Machines, Taoyuan City, Taiwan, eingesetzt. Für eine genaue Analyse der Strömungsphänomene, insbesondere des Coanda-Effekts, war es notwendig, das Nebelfluid unmittelbar nach dem Düsenaustritt zuzuführen, um die gesamte Blasenausdehnungszone sichtbar zu machen. Daher wurde eine Bohrung im Düsengehäuse vorgenommen, die den Nebel parallel zum Schmelzeaustritt ausströmen lässt. Durch Aufnahme des Nebelstroms durch eine Systemkamera des Typs GX80 von Panasonic, Osaka, Japan, und nachfolgender digitaler Bildverarbeitung, konnten die Simulationsergebnisse mit der Nebelströmung abgeglichen werden. In Bild 3 sind zwei exemplarische Aufnahmen der Nebelversuche dargestellt. Dabei ist der Unterschied zwischen effizienter (linke Seite) und ineffizienter (rechte Seite) Wärmeabfuhr bedingt durch eine andere Kühlluftströmung gut erkennbar. Die Simulationen und aus den Kamerabildern ermittelten Strömungslinien ermöglichten einen Abgleich und lieferten Übereinstimmungen in den Luftströmungen.

Aus den verifizierten Simulationsergebnissen wurden jene Geometrien für weitere Extrusionsversuche ausgewählt, die eine hohe Abkühlleistung erwarten ließen. Da eine optimierte Kühlluftströmung einen erhöhten Wärmeentzug zur Folge hat, wurde der Einfluss der Düsenlippengeometrie auf den Massedurchsatz und auf die mechanischen Folieneigenschaften untersucht. Die Prozessparameter und das verwendete Material können Tabelle 1 entnommen werden. Bei konstantem Massedurchsatz führt eine bessere Kühlung zu einer Verschiebung der Frostlinie in Richtung der Düse. Die Höhe der Frostlinie sinkt also. In diesem Fall kann der Durchsatz erhöht werden, ohne dass die Höhe der Frostlinie den anlagenspezifischen Maximalwert erreicht. In Bild 4 lässt sich die deutlich niedrigere Frostlinienhöhe von 120 mm bei einem Kühlluftvolumenstrom von 75 % und dem als „Kombination A“ bezeichneten Kühlring-Setup erkennen. Damit ist im Vergleich zur „Kombination B“ und einer Frostlinienhöhe von 290 mm ein deutlich höherer maximaler Massedurchsatz erzielbar. Diese Steigerung ist auf die verbesserte Wärmeabfuhr durch die konturnahe Kühlung und bereichsweise Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit zurückzuführen [NN13]. Aufgrund unter schiedlicher Temperaturprofile werden ebenfalls die Vorgänge der Relaxation und Kristallausbildung beeinflusst.

Bis zum Erreichen der Frostlinie, welche durch die Kristallisationstemperatur des Kunststoffes charakterisiert ist, befindet sich der Folienschlauch in einem schmelzeförmigen Zustand und kann daher bei höherer Frostlinie in Extrusionsrichtung deutlich stärker verstreckt werden. Dadurch können sich innerhalb der Folie stärkere Orientierungen ergeben, welche eine Zunahme der Bruchspannung zur Folge haben [HKF20C]. Für die Untersuchung dieses Effektes wurden an den Folienproben Zugversuche nach DIN EN ISO 527-1 mit einer Universalprüfmaschine vom Typ Zwick Z10 der Firma Zwick GmbH & Co KG, Ulm, Deutschland, durchgeführt. Die Ergebnisse lassen jedoch keinen statistisch signifikanten Unterschied in der Bruchspannung der Folienproben in Extrusionsrichtung erkennen. Dies zeigt, dass die Variation der Lippengeometrie weder einen positiven noch negativen Einfluss auf die Orientierungen in der Folie nimmt und eine Massedurchsatzsteigerung ohne Veränderung der mechanischen Folieneigenschaften erzielt werden konnte. Der Austausch einer Düsenlippe wird von Folienproduzenten in der Regel allerdings meist vermieden, da dies erhebliche Rüstzeiten verursacht.

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Auf Basis der Erkenntnisse aus den Simulationen und den Extrusionsversuchen wurde daher in einem weiteren Schritt eine flexibel verstellbare obere Düsenlippe entwickelt. Mit dieser können in Abhängigkeit unterschiedlicher Blasengeometrien bei laufendem Prozess der Anstellwinkel für eine optimale Kühlung gezielt angepasst werden. Dadurch können teure Rüstzeiten für die Montage einer anderen Düsenlippe vermieden werden. Die größte Herausforderung bei der Entwicklung einer solchen Düsenlippe war die notwendige Rundheit der Lippe für möglichst geringe Dickenschwankungen. Hierzu wurde auf die Nutzung von drei übereinander angeordneten Irisblenden zurückgegriffen. In Bild 5 lässt sich der Aufbau und die Integration der flexiblen einstellbaren Düsenlippe an der Anlage erkennen. Irisblenden zeichnen sich durch eine hohe Flexibilität in der Verstellung des Öffnungsdurchmessers und durch ihre sehr hohe Rundheit aus. Durch ein Öffnen oder Schließen der Irisblenden wird die Geometrie der Luftführung verändert. Es wurden ausgewählte Versuchspunkte experimentell überprüft, mit dem Ziel, durch eine gezielte Einstellung der Düsenlippe während laufender Extrusion die Kühlleistung und somit den möglichen Massedurchsatz zu erhöhen. Die Extrusionsversuche wurden unter den im vorherigen Kapitel beschriebenen gleichen Prozessbedingungen durchgeführt, während die Höhe der Frostlinie immer so nah wie möglich an den anlagenspezifischen Maximalwert angenähert wurde. Bei Einsatz der flexibel einstellbaren oberen Düsenlippe in geöffneter Einstellung wurde ein Massedurchsatz von 18 kg/h erreicht. Durch ungünstige Einstellung und damit einhergehender Verschlechterung der Kühlluftströmung betrug der maximale Massedurchsatz 15,3 kg/h. In der idealen Einstellung konnte eine Massedurchsatzsteigerung von etwa 10 % auf 20,1 kg/h erzielt werden (siehe Tabelle 2). Somit konnte nachgewiesen werden, dass die flexible Lippe durch Verstellung bei laufendem Prozess die Strömungsverhältnisse in Abhängigkeit unterschiedlicher Blasengeometrien, verursacht durch unterschiedliche Prozessparameter, gezielt anpassen kann, sodass jederzeit bestmögliche Kühlbedingungen vorliegen.

Zur Effizienzsteigerung in der Blasfolienextrusion ist eine Vorhersage der sich einstellenden Strömungsverhältnisse der Kühlluft ein entscheidender Faktor. Dafür wurde am IKV ein Simulationsmodell entwickelt und validiert, das zur Optimierung der Kühlringlippengeometrie bezüglich hoher Wärmeabfuhr eingesetzt wurde. So können nun Kühlringe besser ausgelegt werden und Entwicklungskosten eingespart werden. Darüber hinaus war mit den gewonnenen Erkenntnissen die Entwicklung einer flexibel einstellbaren oberen Düsenlippe möglich, mit der eine Durchsatzsteigerung von 10 % erzielt wurde und auf sich ändernde Blasengeometrien schnell angepasst werden kann.

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Das IGF-Forschungsvorhaben 21086 N der Forschungsvereinigung Kunststoffverarbeitung wurde über die AIF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Neben diesen Institutionen danken die Autoren auch der Firma Sabic Europe, Geleen, für die Bereitstellung der Versuchsmaterialien.

[AAA10] Abdelmaksoud, M.; Abdelslam, K.N.; Awad, M.M.: A numerical investigation of external cooling on a blown film. Thermal Issues in Emerging Technologies Theory and Applications (ThETA) 3rd International Conference. Kairo, Ägypten. 19.-22. Dezember 2010

[HKF20] Hopmann, Ch.; Kraus, L.;Facklam, M.: Luft flexibel führen. Kunststoffe 110 (2020)9 S.9

[HKF+21] Hopmann, Ch.; Kraus, L.; Facklam, M.; Grüber, D.; Stieglitz, M.: Simulation als Tool zur Steigerung der Effizienz einer Blasfolienanlage?! Extrusion 27 (2021) 6, S. 24-27

[Hau99] Hauck, Jochen.: Entwicklung eines Simulationsprogramms für den Schlauchfolienextrusionsprozess. RWTH Aachen, Dissertation, 1999, ISBN: 3896534289

[Kra21] Kraus, L.: Entwicklung einer flexiblen Luftführungseinheit zur Steigerung der Kühlleistung von Blasfolienextrusionsanlagen. RWTH Aachen, Dissertation, 2021, ISBN: 9783958864184

[LHF20] Kraus, L.; Hopmann, Ch.; Facklam, M.: Erhöhung der Kühlleistung durch den Einsatz einer flexiblen Luftführungseinheit unter Ausbildung des Venturi-Effekts bei der Blasfolienextrusion. Wissenschaftlicher Arbeitskreis Kunststofftechnik (WAK) 16 (2020) 4, S. 133-158

[NN13] N.N.: VDI-Wärmeatlas. Berlin, Heidelberg: Springer Verlag GmbH, 2013

[SSW18] Spalding, A., M.; Sun, X.; Womer, W., T.; Cost analysis for installing new and optimized screws for single screw extrusion lines. SPE Antec Tech. Papers, Orlando, Florida, USA, 2018

[SV00] Sidiropoulos, V.; Vlachopoulos, J.: An investigation of Venturi and Coanda effect in blown film cooling. International Polymer Processing 15 (2000) 1, S. 40-45

[Wen11] Wenigmann, S.: Der Einsatz feuchter Luft zur Beeinflussung der Kühlleistung von Blasfolienextrusionsanlagen. RWTH Aachen, Dissertation, 2011, ISBN:9783861302254

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Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Industrie und Handwerk an der RWTH Aachen (Hauptsitz)

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