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Roboter in Molekülgröße – mit dieser Vision könnten Wirkstoffe transportiert, Zellen repariert oder andere Moleküle produziert werden. An der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel haben Forscher nun eine Art molekulare Maschine entwickelt, die eine verbreitete Hürde dieser Zukunftstechnologie gemeistert hat: Sie hat keine dicken, klebrigen Finger.
Kiel – Die Idee molekularer Maschinen wird in den Nanowissenschaften schon lange diskutiert: Künstlich hergestellte chemische Verbindungen, die in der Lage sind, mechanische Arbeit zu verrichten. Solche „Nanoroboter“ könnten zum Beispiel medizinische Wirkstoffe transportieren, defekte Zellen reparieren oder Temperaturen im Körper messen, die auf Entzündungen hindeuten.
Bereits in den 1980er Jahren schwebte dem amerikanischen Ingenieur Kim Eric Drexler die Idee molekularer Maschinen als so genannte Assembler vor: Sie sollten in der Lage sein, einzelne Atome zu greifen und präzise zu platzieren, um so komplexe Molekül-Strukturen zu bauen. Letztendlich würden sie sich selbst reproduzieren können, so Drexler.
Diese Vision war der Beginn einer intensiven wissenschaftlichen Kontroverse: Gegner, die den Bau solcher Nanoroboter aus Molekülen prinzipiell nicht für möglich hielten, führten im Wesentlichen zwei Argumente an, die in der Forschung als Probleme der „dicken und klebrigen Finger“ bezeichnet werden. Demnach müsste ein Assembler unzählige „Finger“ im Nanomaßstab haben, um die verschiedenen Atome jeweils greifen und platzieren zu können – dafür fehle jedoch schlichtweg der Platz. Haupthindernis für solche „Molekülbauer“ sei aber die als „sticky fingers“, also „klebrige Finger“, bezeichnete Schwierigkeit, einmal gegriffene Atome wieder loslassen und absetzen zu können.
Forschungsergebnisse der vergangenen Jahre lassen jedoch darauf schließen, dass die Entwicklung solcher Assembler prinzipiell möglich ist. Davon ist auch Rainer Herges, Professor für Organische Chemie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), überzeugt. „Immerhin existieren solche molekularen Assembler bereits in der Natur, zum Beispiel in Form von Ribosomen, die in Zellen Proteine herstellen oder zur Synthese von ATP, Adenosintriphosphat. Das Prinzip dieser biochemischen Synthesevorgänge müsste sich also künstlich im Labor nachbilden lassen“, sagt Herges.
Professor Rainer Herges, Sprecher des Sonderforschungsbereichs 677 „Funktion durch Schalten“ von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Bild: Herges)
Herges und seinem Forscherteam ist nun ein wichtiger Schritt in Richtung solcher Nanoroboter gelungen: Sie haben ein Molekül hergestellt, das einzelne Bausteine nimmt und daraus kleine Ringe zusammenbaut. Angetrieben wird dieser künstliche Assembler dabei durch UV-Licht.
Um den Assembler zu realisieren, reduzierten die Wissenschaftler die Komplexität der biologischen Prozesse soweit, bis sie sich mit Methoden der synthetischen Chemie umsetzen ließen. Beim Funktionstest des „Nanobot“ brachten sie die Reaktionspartner, vier Vanadat-Ionen, in unmittelbare Nähe zueinander. Mit einem Assembler-Molekül, das sich per UV-Licht steuern lässt, lösten sie dann einen Reaktionsprozess aus, bei dem sich ein neues Molekül formt, indem sich die vier Vanadat-Bausteine zu einem Ring verknüpfen.
Auch das „klebrige-Finger-Problem“ konnten die Forscher mit UV-Licht lösen: Bestrahlt mit Licht mit einer Wellenlänge von 365 Nanometern ändert sich die äußere Form des Assembler-Moleküls. Seine Enden drücken sich dann wie eine Zange zusammen, der Raum im Inneren wird zu klein und das neue Molekül wird freigegeben. UV-Licht zur Steuerung und als externe Energiequelle zu verwenden hat zudem den Vorteil, dass es einfach zu handhaben ist und – im Gegensatz zu chemischer Energie – keine unbeabsichtigten Nebenprodukte produziert.
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Ähnliche funktionierende molekulare Maschinen, die zum Beispiel Aminosäuren in Proteine umwandeln, wären mit weniger Nebenprodukten und kürzeren Syntheseprozessen in der Lage, einen Paradigmenwechsel in den Methoden der chemischen Synthese auszulösen, meint Herges. Außerdem betont das Kieler Team, dass die Energie des entstandenen Moleküls höher ist als die der Ausgangsstoffe. „Auch wenn ihre Herstellung eine Herausforderung ist, könnten molekulare Assemblers langfristig eine neue Möglichkeit sein, um Lichtenergie in chemische Energie umzuwandeln“, unterstreicht Herges die Bedeutung.
Originalpublikation: Hanno Sell, Anika Gehl, Daniel Plaul, Frank D. Sönnichsen, Christian Schütt, Felix Köhler, Kim Steinborn & Rainer Herges: Towards a light driven molecular assembler, Communications Chemistry volume 2, Article number: 62 (2019); DOI: 10.1038/s42004-019-0163-y
* J. Siekmann, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 24118 Kiel
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LMU München; Leonard Siebert; Daniel Ebeling; Herges et al, Towards a light driven molecular assembler, Commun. Chem. 2, 62 (2019), 10.1038/s42004-019-0163-y; Herges; Abbott; KNF; Testa Analytical; Aleph Farms; gemeinfrei; ©nonglak - stock.adobe.com; ©New Africa - stock.adobe.com; Venera Weinhardt (COS); gemeinfrei, Bannon Morrissy; Copyright© Jürgen Vogt All Rights Reserved; ©Wordley Calvo Stock - stock.adobe.com; gemeinfrei, Scott Rodgerson; gemeinfrei, redcharlie; © Anna Koester; Nemanja Otic; © Pablo F. Petracci