Thermoplastische Hybridverbunde mit Holzfasern

2022-09-24 15:12:18 By : Mr. Allen Bao

Gewichtsreduktion ist eine der entscheidenden Herausforderungen, um nachhaltige Fahrzeuge zu entwickeln. Der Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen in Form von Naturfasern, wie Flachs, Kenaf oder Hanf, ist Stand der Technik und findet vor allem in der Automobilindustrie Anwendung. Die Gründe sind zahlreich. Naturfasern sind wesentlich kostengünstiger als Carbonfasern und leichter als Glasfasern. Dadurch ergeben sich Kosten- und Gewichtsvorteile. Es lassen sich zudem hervorragende mechanische Eigenschaften erzielen. Schließlich bietet die Verwendung von Naturfasern einen deutlichen ökologischen Vorteil. [1, 2] Häufig kommen dabei Hybridverbunde zum Einsatz. Durch Hybridverbunde lassen sich die Vorteile von Spritzguss und Pressverfahren kombinieren (Funktionalisierung bei hoher Eigensteifigkeit).

Hybridverbund-Probekörper mit Holzfaserverstärkung (Hintergrund), Hackschnitzel und Fasern aus Fichte (Vordergrund). (Bild: TH Rosenheim)

Türverkleidung im Automobilinterieur (Hybridverbund aus Naturfasern und Kunststoff) [3] (Bildquelle: TH Rosenheim)

Holzfasern sind in diesem Bereich noch nicht umfassend untersucht und werden deshalb in der Automobilindustrie kaum eingesetzt. Die Hauptanwendungen in der Kunststoffindustrie sind Wood-Plastic-Composites (WPC) in denen Holzspäne als Füllstoff verwendet werden. [4] Holzfasern haben jedoch erhebliche Vorteile gegenüber klassischen Naturfasern wie Flachs oder Kenaf. Sie können auch in Westeuropa generiert und müssen nicht aus Asien importiert werden. Somit ist die Qualität leichter sicherzustellen und die Abhängigkeit von Rohstoffrisiken (Preis-, Verfügbarkeitsschwankungen) geringer. Des Weiteren können Holzfasern mit definierten und für die jeweilige Anwendung optimalen Eigenschaften hergestellt werden. [5]

Im Technikum der TH Rosenheim können Holzfasern hergestellt werden. Hackschnitzel aus Fichte werden thermisch-mechanisch auf einer 12“ Laborrefineranlage von Andritz, Grau, Österreich, zu Fasern aufgeschlossen. Die Verarbeitbarkeit der Holzfasern über einen In‑Mould‑Compounder (KraussMaffei 300 CX IMC) wurde über ein Multiprüfkörperwerkzeug untersucht. Als Benchmark wurde ein am Markt verfügbares WPC verwendet.

Zugprüfung (ISO 527-1/1B) und MFR-Messung von compoundierten Holzfasern mit unterschiedlichem Füllgrad im Vergleich zu einem WPC. (Bildquelle: TH Rosenheim)

Die Holzfasern wurden in verschiedenen Füllgraden mit Polypropylen (PP) und Haftvermittler compoundiert. Ein steigender Füllgrad resultiert in stetig besseren Eigenschaften bei der Zugprüfung. Mit einem Holzfaseranteil von 30 Gew.-% können wesentlich höhere Festigkeiten wie bei dem am Markt verfügbaren WPC erzielt werden. Die Prüfkörper wurden außerdem einer MFR (Melt-Flow-Rate) Messung unterzogen. Dabei wurde die Viskosität und die Dichte der Schmelze bei 170 °C und einem Prüfgewicht von 10 kg ermittelt. Ein steigender Holzfaseranteil resultiert demnach in einer Verringerung der Melt-Flow-Rate und einer Erhöhung der Dichte. Die Dichte der Prüfkörper im erkalteten Zustand erhöht sich von ca. 0,9 g/cm³ bei reinem PP auf ca. 1,2 g/cm³ bei einem Holzanteil von 30 Gew.-%.

Wickelstation für das Holzfaservlies nach der Doppelbandheizung [6] (Bildquelle: TH Rosenheim)

In Zusammenarbeit mit dem österreichischen Autefa Solutions Nonwovens Competence Center in Linz wurden Versuche zur Vlieslegung mit Holz- und PP-Fasern durchgeführt. Die Fasern wurden über eine Air-Lay-Anlage zu einem Vlies gelegt und über eine Doppelbandheizung zu einem Halbzeug thermisch gebunden.

Die Halbzeuge wurden in einem zweiten Schritt über eine Heißpresse und eine gekühlte Presse zu Platten auf die gewünschte Dicke konsolidiert. Die mechanischen Eigenschaften des Holzfaservlieses wurden mit einem am Markt verfügbaren vernadelten thermoplastischen Naturfaservlies als Benchmark verglichen.

Zugprüfung (ISO 527-4) von einem Naturfaservlies (Benchmark) und einem Holzfaservlies (Bildquelle: TH Rosenheim)

Die Proben für die Zugprüfung nach ISO 527-4 wurden in und quer zur Produktionsrichtung aus dem Vlies entnommen. Die Werte quer zur Produktionsrichtung für Steifigkeit und Festigkeit des Naturfaservlieses sind im Rahmen der Standardabweichung vergleichbar mit denen des Holzfaservlieses. Bei Proben, die in Produktionsrichtung entnommen wurden, zeigen sich starke Unterschiede.

Die Werte bei dem Holzfaservlies weichen in Abhängigkeit von der Produktionsrichtung wesentlich höher voneinander ab als bei dem Naturfaservlies. Diese Abweichung zu minimieren, ist Gegenstand zukünftiger Untersuchungen.

Das Naturfaservlies als Benchmark und das Holzfaservlies wurden zu Hybridverbunden weiterverarbeitet. Als Werkzeug wurde ein Hybridwerkzeug verwendet, welches zwei unterschiedliche Rippengeometrien aufweist. Die Verbundhaftung von Rippe zu Vlies wird über eine Abzugsvorrichtung mittels eines Kopf-Zug-Versuchs geprüft.

Abzugswerte der Rippen mit Fuß an dem Naturfaser- und Holzfaservlies bei zwei Einlegertemperaturen. (Bildquelle: TH Rosenheim)

Von Rippen mit Fuß wurden an Naturfaser- und Holzfaservlies bei zwei Einlegertemperaturen Abzugswerte ermittelt. Bei der ersten untersuchten Temperatur (Raumtemperatur, kurz: RT) wurden die Einleger ohne vorheriges Aufheizen in das Hybridwerkzeug eingelegt. Bei der zweiten Temperatur wurden die Einleger in einem Infrarotofen auf eine Kerntemperatur von 170 °C gebracht. Als Anspritzmaterial wurde PP mit 3 Gew.-% Haftvermittler und 20 Gew.-% Fichtefasern direkt compoundiert und angespritzt.

Die Abzugswerte der Rippen, die bei Raumtemperatur angespritzt wurden, sind deutlich niedriger als die der aufgeheizten Vliese. Bei Raumtemperatur zeigt sich kaum ein Unterschied in der Verbundhaftung zwischen dem Holz- und Naturfaservlies. Die Abzugswerte nach dem Aufheizen sind bei dem Naturfaservlies um circa 26 Prozent höher als bei dem Holzfaservlies. In allen vier gezeigten Fällen handelt es sich um einen Mischbruch. Die Rippe bleibt unbeschädigt. Der Bruch zeigt sich in der Grenzfläche von Vlies zu Rippe (Adhäsionsbruch) und im Vlies (Kohäsionsbruch). Das Aufheizen des Vlieses erhöht den kohäsiven Bruchanteil. Bei Einlegertemperaturen von 170 °C bleiben deutlich mehr Natur- und Holzfasern an den Rippen, was auf einen erhöhten kohäsiven Bruchanteil hindeutet.

Durch das Aufheizen kann die Schmelze tiefer in das Naturfaservlies eindringen. Dies kann zu optischen Beeinträchtigungen auf der Sichtseite des Vlieses führen. Die Abzeichnungen der Rippen können selbst nach einen Kaschierprozess, zum Beispiel bei einer Türverkleidung, sichtbar sein.

Mikroskopische Aufnahmen von Mikrotomanschnitten der Rippen mit Fuß an Naturfaser- und Holzfaservliesen bei zwei Einlegertemperaturen (Bildquelle: TH Rosenheim)

Das kalt eingelegte Holzfaservlies wird durch das Werkzeug auf circa 2 mm nachverdichtet, da die ursprüngliche Dicke des Halbzeugs bei etwa 2,3 mm liegt. An der Stelle der Rippe bleibt das Vlies bei rund 2,3 mm. Wird das Holzfaservlies vor dem Einlegen aufgeheizt, wird es bei der Rippe durch den Spritzdruck ebenfalls auf circa 2 mm nachkomprimiert. Ein tiefes Eindringen der Schmelze in das Holzfaservlies konnte nicht beobachtet werden.

Holzfasern zeigen ein großes Potenzial für thermoplastische Hybridverbunde. Aufgrund ihrer technischen, ökologischen und ökonomischen Eigenschaften sind Holzfasern für die Kunststofftechnik sehr interessant. Weitere Untersuchungen werden aktuell durchgeführt, um mehr über deren Eigenschaften zu erfahren.

Wir danken allen industriellen Kooperationspartnern, welche dieses Projekt unterstützen (in alphabetischer Reihenfolge): Brose Fahrzeugteile, Bamberg, Faurecia Autositze, Stadthagen, Frimo, Sontra, Krauss Maffei Technologies, München, Krelus, Oberentfelden, Schweiz, Pfleiderer Deutschland, Neumarkt, und Pöppelmann, Lohne.

Außerdem geht ein herzliches Dankeschön an Borealis Polyolefine, Linz, Österreich, und die J.H. Ziegler Natural Nonwovens, Lambrecht, die uns Versuchsmaterialien bereitstellen. Des Weiteren bedanken wir uns bei Autefa Solutions, Linz, Österreich, für die gemeinsamen Vlieslegeversuche.

[1] Müssig, J.: Industrial application of natural fibres, Structure, properties, and technical applications, Wiley series in renewable resources, Wiley, Chichester, West Sussex, U.K., 2010

[2] Bledzki, A.; Faruk, O.; Sperber, V.: Cars from Bio‐Fibres, Macromolecular Materials and Engineering 291 (5), S. 449–457, 2006

[3] Yanfeng Automotive Interiors: Pressematerial IAA 2017, 2017

[4] Stadlbauer,W.: Wood Plastic Composites – Neues Eigenschaftsprofil durch Refinerfasern, Berichte aus Energie- und Umweltforschung 63/2010, BMVIT, Wien, 2010

[5] Schemme, M.; Michanickl, A.; Karlinger, P.: Neue Naturfaser – Kunststoffverfahren und -werkstoffe für den Fahrzeug-, Holz- und Möbelbau, 2. Kooperationsforum „Holz als neuer Werkstoff“, Regensburg, 2015

[6] TH Rosenheim; Autefa Solutions Nonwovens Competence Center Linz: Versuchsprotokoll, Linz, 2019

leitet das Fachgebiet Spritzguss und Werkzeugbau an der Technischen Hochschule Rosenheim in Rosenheim.

leitet das Fachgebiet Faserverbundkunststoffe an der Technischen Hochschule Rosenheim in Rosenheim.

M. Sc., ist Projektmitarbeiter F&E Kunststofftechnik an der Technischen Hochschule Rosenheim in Rosenheim.

B. Eng., ist Projektmitarbeiterin F&E Holztechnik an der TH Rosenheim in Rosenheim.

M. Sc., ist Projektmitarbeiter F&E Holztechnik an der TH Rosenheim in Rosenheim.

leitet das Fachgebiet Holzwerkstofftechnik an der TH Rosenheim in Rosenheim.

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