Erfolgsgeschichte eines Flüchtlings - kaernten.ORF.at

2022-10-01 15:35:24 By : Ms. Aihua Dai

Ahmad Ibesh aus Syrien ist einer von vielen Flüchtlingen, die nach Österreich gekommen sind. Er schaffte es, hier Fuß zu fassen. Der gelernte Schneider lebt seit sieben Jahren in Kärnten und fertigt neben einem Job in einem Möbelhaus Taschen aus Recyclingmaterial unter dem Label „Herzgenäht“.

Schon als Jugendlicher begann Ahmad in seiner Heimat, zu nähen. Heute stellt der 29-Jährige in Klagenfurt Taschen und Rucksäcke aus bereits vorhandenen Materialien her, die ebenso eine Geschichte haben, wie er selbst. „Aleppo ist ganz offen, es ist der Markt von Syrien, dort ist das Geld. Auch der Granitstein ist bekannt in Aleppo.“ Ahmad ist das jüngste von acht Geschwistern, seine Familie sei gastfreundlich, erzählte er. Gäste bekommen in Syrien immer zu Essen und zu Trinken, das halte er immer noch so.

Nach zwei Jahren mitten im Kriegsgeschehen fasste Ahmad im Mai 2014 schweren Herzens den Entschluss, seine Heimat zu verlassen und die Flucht anzutreten. Nach einem längeren Aufenthalt in der Türkei machte er sich am 1. August 2015 auf den Weg nach Europa, ohne konkretes Ziel. Durch mehrere Länder führte sein Weg: „Ich schäme mich, das zu sagen, aber ich kannte Österreich nicht. Ich wollte nur einen sicheren Ort. Es ist ein schönes Land.“

Welche Gedanken hat man, wenn man aufbricht ins Ungewisse? Überwiegt die Hoffnung oder doch die Angst: „Die richtige Angst kriegt man nur, wenn man das erste Land verlässt, die Heimat. Mit der Zeit ging die Angst weg. Aber auf dem Schlauchboot zwei Stunden mit Frauen und Kindern in der Nacht, da hatte ich Angst. Trotzdem ist es weniger gefährlich als der Krieg.“

Er sei sehr dankbar für die Möglichkeit, hier in seiner neuen Heimat Fuß fassen zu können. Von vereinzelten Vorurteilen möchte er sich nicht verunsichern lassen. Die meisten Menschen würden ihn unterstützen: „Wenn ich sage, ich bin überall gut aufgenommen worden, würde ich lügen. Manche fragen, willst Du immer in Österreich bleiben, diese Menschen mögen uns nicht.“ Er könne jetzt noch nicht wissen, ob er in Österreich bleibt oder nach Syrien zurück gehen. Er sei zufrieden hier. Und die guten Menschen fragen, wie es ihm hier gehe, sie haben ein gutes Herz.

Sein großes Ziel für die nächste Zeit ist es, die Prüfung für die österreichische Staatsbürgerschaft zu bekommen. Dafür bereitet er sich schon jetzt intensiv vor. Wenn er nicht gerade in Teilzeit in einem Klagenfurter Möbelhaus arbeitet und sich in seiner Freizeit seinem zweiten Standbein, der Schneiderei, widmet.

„Upcycling“ ist derzeit im Trend. Ausgedienten Kleidungsstücken wird auf kreative Art ein zweites Leben geschenkt. Ahmad Ibesh lernte diese Denkweise erst in Österreich kennen. In seiner ursprünglichen Heimat Syrien machte er ganz andere Erfahrungen: „Bei uns werden alte Stoffe weggeworfen. Ich habe meiner Familie erklärt, dass man Sachen weiter verwenden kann, aber anders. Man kann seine Jean als Handtasche oder Rucksack tragen.“

Die Idee für seine neuen Kreationen aus alten Materialien entstand durch Zufall durch seine Deutschlehrerin Brigitte. Sie habe zu ihm gesagt, nähe doch etwas, Du redest immer davon. Sie habe ihm eine Haushaltsnähmaschine und Vorhänge und Jeans gegeben. Er habe zuerst nicht gewusst, was er damit machen solle und habe auch mit der Plastikmaschine nicht umgehen können. Aber er habe es gelernt.

Der Fantasie sind bei seinen Kreationen keine Grenzen gesetzt: „Hemden kann man als Taschenfutter verwenden, Jeanshosen haben immer sehr starken Stoff, das passt für eine Tasche.“ Schon sehr früh lernte Ahmad das Schneiderhandwerk kennen: „Ich habe Schneidern schon als Kind gelernt, mit der Nähmaschine habe ich als Spielzeug angefangen und dann mein Brot verdient.“

In Syrien ist die Schneiderei eine Männerdomäne, während es in Österreich auch viele Frauen in dieser Branche gibt. Einer von mehreren Unterschieden, mit denen sich Ahmad hier konfrontiert sah. Auch was das Erlernen dieses Handwerks angeht. Hier holte er den Hauptschulabschluss nach und meldete ein Kleingewebe an. Dann wollte er die Gesellenprüfung machen: „Ich habe mit einer Lehrerin privat gelernt, sie hat mir gezeigt, sie man eine klassische Jacke schneidert, die Maße abnimmt und 3-D-Entwürfe macht.“ Er habe sich dann mit der Lehre in Österreich beschäftigt und gesehen, dass man hier sehr viel Theorie lerne, bei ihm Zuhause sei das mehr praxisorientiert.

Ahmad Ibeshs Kreationen sind unter dem Namen „Herzgenäht“ erhältlich. Ein Name, der für die Leidenschaft steht, mit der er ans Werk geht: „Die ersten eineinhalb Jahre habe ich die Sachen gespendet und verschenkt. Aber ich wollte mit den Menschen reden und Kontakt aufnehmen. Mich hat interessiert, was die Österreicher über die Syrer denken.“ Für ihn ist es wichtig, eine Beschäftigung zu haben, die ihn erfüllt: „Meine Familie hat mir beigebracht, dass man arbeiten muss. Egal, was man verdient oder was man mit der Arbeit erreicht. Ziele habe ich erst in Österreich gelernt. Bei uns arbeitet man, um nicht umsonst zu leben.“