Fortschrittliches Recyceln von Kunststoffabfällen

2022-10-01 15:40:19 By : Ms. Coco Wu

Forschungsinstitute und Unternehmen weltweit entwickeln neue Verfahren, um Kunststoffe zu recyceln. Das nova-Institut aus Hürth gibt einen Überblick.

Foto: PantherMedia/missmarcha2.gmail.com

Die ehrgeizigen Recyclingziele der EU, die Selbstverpflichtungen der chemischen Industrie und der Markenhersteller sowie die Anforderungen der Kunden üben einen enormen Entwicklungsdruck auf den Recyclingsektor aus. Einem großen Anteil nicht recycelter Abfallströme stehen die Nachfrage und Suche nach erneuerbaren Rohstoffen für Chemikalien und Materialien gegenüber.

Jüngste Entwicklungen in der Politik und auf den Märkten deuten auf eine umfangreiche Transformation hin, welche die Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen dauerhaft verändern wird. Während der Europäische Green Deal das übergeordnete Ziel für die Europäische Union bestimmt, haben sich große Industrieunternehmen und aufstrebende Start-ups weltweit auf den Weg gemacht, fortschrittliche Recyclinglösungen zu implementieren. Einige Meilensteine dieses Vorhabens werden dabei durch Kooperationen, Partnerschaften, Übernahmen oder Fusionen erreicht. Diesen Trend verdeutlichen zahlreiche Ankündigungen des vergangenen Jahres.

Besonders die jüngsten Entwicklungen umfassen Strategien, die Brücken zwischen konventionellem mechanischem Recycling und fortschrittlichen Recycling, dem „Advanced Recycling“, schlagen, wobei sich beide Elemente gegenseitig ergänzen sollen. Advanced Recycling-Technologien entwickeln sich in rasantem Tempo. Neue Anlagen werden gebaut oder hochskaliert und erreichen auf diesem Wege neue Kapazitäten.

Parallel dazu wird diskutiert, welche Technologien sich für welchen Abfallstrom am besten eignen und wie die zugehörigen Umweltauswirkungen zu bewerten sind.

Zeitgleich treten neue Akteure auf dem Markt, von Start-ups bis hin zu Chemiegiganten und allem, was dazwischen liegt. Neben den Recyclingtechnologien selbst, bilden auch die Vor- und Nachbereitungsprozesse sowie Veredelungstechnologien weitere wichtige Säulen für den Aufbau sinnvoller Wertschöpfungsketten und unterstützen ebenso die Entwicklung der Kreislaufwirtschaft.

Die aktuelle Technologielandschaft bietet vielseitige innovative Technologien, die als Schnittstelle zwischen unterschiedlichen Abfallströmen und Produkten dienen, an. Diese verbessern bestehende Wertschöpfungsketten oder schaffen neue. Diese Technologien basieren auf mechanischen, physikalischen, biochemischen, chemischen als auch thermochemischen Prozessen, wobei die Grenzen einiger Prozesse fließend sein können. Nicht alle Ansätze erweisen sich als ökologisch oder ökonomisch sinnvoll und werden daher derzeit ausgiebig bewertet und diskutiert.

Die Lebenszyklusanalyse (Life Cycle Assessment, LCA)ist die am weitesten anerkannte und akzeptierte Methode zur Analyse potenzieller Umweltauswirkungen. Bisher wurden mehrere LCAs zu verschiedenen Recyclingtechnologien und Wertschöpfungsketten veröffentlicht.

Dennoch sind weiterhin kritische Aspekte zu diskutieren und klären, unter anderem wie eine solche Bewertung im Detail durchzuführen ist und welche Parameter zu berücksichtigen sind, um verschiedene Technologien, Ausgangsstoffe und Produkte hinreichend miteinander vergleichen zu können und um daraus aussagekräftige Schlussfolgerungen ziehen zu können.

Eine Übersicht über die Vielfalt der Advanced Recycling-Verfahren und deren Produkte.Grafik: nova-Institut

Die kürzlich veröffentliche Studie „Mapping of advanced recycling technologies for plastics waste“ des nova-Instituts aus Hürth stellt 103 Technologien vor, die am Markt verfügbar sind oder zeitnah verfügbar sein werden [1]. Die meisten davon stammen aus der EU, allen voran den Niederlanden und Deutschland, gefolgt von Nordamerika, Asien und Australien. Ebenso werden erste Anbieter von Nachbearbeitungs- und Veredelungstechnologien vorgestellt, die besonders bei der Umwandlung von sekundären Wertstoffen in Chemikalien, Werkstoffe und Brennstoffe eine wichtige Rolle spielen.

Die Studie umfasst verschiedene Technologien wie Gasifizierung, Pyrolyse, Solvolyse, Auflösung (Dissolution) und Enzymolyse in unterschiedlichen Größenordnungen. Alle Technologien und Unternehmen werden umfassend vorgestellt. Darüber hinaus beschreibt die Studie technische Details, die Eignung verfügbarer Technologien für bestimmte Polymere und Abfallfraktionen sowie die Umsetzung bereits bestehender Pilot-, Demonstrations- und sogar (semi-)kommerzieller Anlagen. Zudem werden alle jüngsten Entwicklungen sowie Partnerschaften und Joint Ventures systematisch beschrieben.

Je nach Technologie können unterschiedliche Produkte gewonnen werden, die dem Kreislauf an verschiedenen Stellen der Kunststoff-Wertschöpfungskette wieder zugeführt werden können. Die größten Kapazitäten bieten aktuell thermochemische Verfahren.

Die Pyrolyse stellt ein thermochemisches Recyclingverfahren dar, bei dem gemischte Kunststoffabfälle – hauptsächlich Polyolefine – und Biomasse in Gegenwart von Wärme und unter Ausschluss von Sauerstoff in Flüssigkeiten, Feststoffe und Gase umgewandelt oder depolymerisiert werden.

Die Produkte reichen von verschiedenen Flüssigkeitsfraktionen wie Ölen, Diesel, Naphtha und Monomeren bis hin zu Synthesegas, Kohle und Wachsen. Je nach Art der Produkte, können diese als erneuerbare Ausgangsstoffe zur Herstellung neuer Polymere verwendet werden.

Hierbei stammt eine Mehrheit der 62 identifizierten Technologieanbieter aus Europa, gefolgt von Nordamerika, Asien und Australien. Mit 25 Unternehmen sind die meisten Anbieter kleine Unternehmen, gefolgt von Start-ups und von mittleren und großen Unternehmen. Die größte aller bestehenden Pyrolyse-Anlagen kann bis zu 40 000 t Kunststoffabfälle pro Jahr verarbeiten.

Ein Fachmann hantiert mit Kunststoffgranulat.

Die lösungsmittelbasierte Solvolyse beschreibt einen chemischen Prozess, der auf Depolymerisation basiert und mit verschiedenen Lösungsmitteln durchgeführt werden kann. Hierbei werden Polymere – hauptsächlich Polyethylenterephthalat (PET) – in kleine Bausteine wie Monomere, Dimere oder Oligomere zerlegt.

Nach dieser Aufspaltung werden diese Bausteine von anderen Kunststoffkomponenten wie Zusatzstoffe, Pigmente, Füllstoffe und andere Polymere getrennt. Nach der Aufreinigung folgt die Polymerisation dieser Bausteine, um neue Polymere zu synthetisieren.

Im Vergleich zur Pyrolyse sind weniger Anbieter von Solvolyse-Technologien auf dem Markt aktiv. Mit bis zu 10 800 t pro Jahr sind die Kapazitäten von verfügbaren Solvolyse-Anlagen kleiner als die der Pyrolyse-Anlagen.

Von den 22 identifizierten Solvolyse Technologieanbietern ist eine Mehrheit in Europa angesiedelt, gefolgt von Nordamerika und Asien. Mit acht Unternehmen zählen die meisten Anbieter zu den kleinen Unternehmen, gefolgt von großen-, mittelständischen und kleinen Unternehmen sowie von Start-ups.

Ein weiteres thermochemisches Verfahren, mit dem gemischte Kunststoffabfälle und Biomasse in Gegenwart von Wärme und Sauerstoff in Synthesegas und CO2 umgewandelt werden können, ist die Gasifizierung. Derzeit betragen die größten erreichten Kapazitäten bis zu 100 000 Tonnen pro Jahr. Die meisten Anbieter sind hierbei in Nordamerika ansässig. Mit jeweils vier Unternehmen sind die meisten Anbieter kleine und mittelständische Unternehmen.

Die Dissolution oder Auflösung beschreibt eine lösungsmittelbasierte Technologie, die auf physikalischen Prozessen beruht. Gezielt können so beispielsweise Polymere aus gemischten Kunststoffabfällen in einem geeigneten Lösungsmittel aufgelöst werden, während die chemische Struktur des Polymers erhalten bleibt. Andere Kunststoffbestandteile wie Additive, Pigmente, Füllstoffe oder andere Polymere bleiben ungelöst und können von dem gelösten Zielpolymer getrennt werden.

Um die Ausfällung des aufgereinigten Zielpolymers einzuleiten, wird ein Antilösungsmittel zugegeben. Das Polymer kann somit direkt gewonnen werden. Im Gegensatz zur Solvolyse ist für dieses Verfahren kein Polymerisationsschritt erforderlich. Derzeit erreicht das Verfahren eine maximale Kapazität von 8 000 Tonnen pro Jahr, wobei die meisten Technologieanbieter aus Europa stammen, gefolgt von Asien und Nordamerika.

Mit vier Unternehmen sind die meisten Anbieter kleine Unternehmen gefolgt von Start-ups sowie mittelständischen und einem großen Unternehmen.

Einen alternativen Weg bietet die Enzymolyse. Diese Technologie basiert auf biochemischen Prozessen, bei denen verschiedene Arten von Biokatalysatoren eingesetzt werden, um ein Polymer in seine Bausteine zu depolymerisieren. Die Technologie befindet sich aktuell noch in einem frühen Entwicklungsstadium und ist daher nur im Labormaßstab verfügbar. Derzeit wurde nur ein Anbieter einer Enzymolyse-Technologie ermittelt, bei dem es sich um ein kleines Unternehmen in Europa handelt.

Die Advanced Recycling Conference am 14. und 15. November 2022 in Köln bietet als Hybridveranstaltung die Gelegenheit alle Entwicklungen und Technologien zusammenzubringen. Die ersten bestätigten Beiträge bieten bereits tiefe Einblicke in die aktuellen Entwicklungen sowie vielfältige Austausch- und Vernetzungsmöglichkeiten entlang der gesamten Kunststoff-Wertschöpfungskette.

Lars Krause Senior Expert Technology & Markets, nova-Institut GmbH lars.krause@nova-institut.de Foto: nova-Institut

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