Türkei: Abnehmer von 108.000 Tonnen deutschem Plastikmüll

2022-10-08 22:01:35 By : Mr. Zway Zhou

Deutschland verlagert das Problem mit der Müllentsorgung und dem Recycling einfach in andere Länder. Die Folgen zeigt Human Rights Watch am Beispiel der Türkei.

Istanbul - Viele assoziieren mit der Türkei blaues Meer, schöne Hotelanlagen und entspannende Sommerurlaube. Und tatsächlich gehört das Land an der Adria laut der Konsumstudie VuMA Touchpoints 2022 zu den beliebtesten Reisezielen der Deutschen. Neben den historischen Bauwerken, wie der Hagia Sophia und der Blauen Moschee in Istanbul, lockt das Land eben auch Badeurlauber. Nur die Nord- und Ostseeküste, die Balearen und Italien sind noch beliebter als die Türkei. Von mehreren hunderttausend Tonnen an Plastikmüll bekommen die Urlauber aus Deutschland während ihrer Türkei-Trips wahrscheinlich eher weniger mit - wobei sie doch mitunter die Verursacher des Mülls sind.

Die Türkei ist derzeit der Hauptempfänger von Kunststoffabfällen aus der EU, das offenbart der Bericht „It’s As If They’re Poisoning Us“ - The Health Impacts of Plastic Recycling in Turkey“ der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Im Jahr 2020 hat das Land ganze 450.000 Tonnen Plastikmüll aus der EU importiert. Krista Shennum, Expertin für Umwelt und Menschenrechte von Human Rights Watch, berichtet, dass Deutschland einer der größten Exporteure darunter ist. 2020 kamen allein aus Deutschland 136.00 Tonnen Müll - von der Gesamtmenge sind das gute 30 Prozent. Allein nur von Deutschland exportiert. 2021 ist die Zahl auf 108.000 Tonnen gesunken. Der Grund dafür liegt aber nicht in einem sinkenden Müllvorkommen in Deutschland, sondern daran, dass die Türkei ein vorübergehendes Einfuhrverbot für bestimmte Kunststoffarten ausgerufen hatte.

In dem Bericht der Organisation, mit deutschem Titel: „Es ist, als ob sie uns vergiften würden“, geht es aber nicht nur um die schier unglaublichen Zahlen an exportiertem bzw. importiertem Müll. Es stehen auch die gesundheitlichen Gefahren und ökologischen Auswirkungen für die Menschen in der Türkei und der Umgang der türkischen Regierung damit im Fokus. So erzählt der Bericht die Geschichte von Ali, der in einer Recyclinganlage arbeitete. Sein Arbeitsalltag bestand aus sortieren und zerkleinern von Plastik, sodass es zu kleinen Pellets geschmolzen werden kann. Nicht selten arbeitete er 13 Stunden und länger. Heute hat Ali Atemprobleme, die er auf die Luftverschmutzung in der Anlage zurückführt.

Solch gesundheitliche Folgen, entstehen dem Bericht zufolge, durch die giftigen chemischen Zusätze, die im Kunststoff enthalten sind. Beim Recycling entweichen diese in die Luft und „gefährden die Gesundheit der in der Industrie Beschäftigten und der Anwohner von Recyclinganlagen“.

Krista Shennum und ihre Organisation fordern nicht nur türkische Ministerien und Behörden zu strengeren Kontrollen und Vorschriften auf. Sie richtet sich auch an die Verursacher des Mülls: die EU und vor allem auch Deutschland. Shennum sagt: „Die EU und einzelne kunststoffexportierende Länder sollten die Verantwortung für ihren eigenen Kunststoffabfall übernehmen, den Export von Kunststoff in die Türkei beenden und die Menge an Kunststoff, die sie produzieren und verbrauchen, reduzieren.“ Klare Worte, die sich jeder vor dem nächsten Türkei-Urlaub zu Herzen nehmen sollte.